Premiere für mich heute: das erste Mal Sonderzug. Aus meinen bisherigen Wohnorten hatte es sich einfach nie angeboten, nach dem Umzug im Herbst mussten nun also die Erzählungen vorheriger Züge einem Realitätstest unterzogen werden. Im Gegensatz zum Mainzzug wurde dieser diesmal gar nicht öffentlich beworben und rein von der Szene getragen. Insgesamt 10 Gruppen-Wagen plus Partywagen und vielleicht 600 Mitfahrer*innen dürften es gewesen sein, die sich kurz nach 5 Uhr morgens am Hbf trafen und den Weg nach Franken auf sich nahmen. Unser letzter Besuch in Nürnberg ist ja nun doch schon ein paar Tage her (für mich Spiel Nummer 5 mit Werder und 6 insgesamt dort), damals hieß das Stadion noch easycredit-Stadion. Mittlerweile konnte die Nürnberger Szene einen Erfolg erzielen und das Stadion heißt seit knapp 1,5 Jahren tatsächlich ganz offiziell Max-Morlock-Stadion, benannt nach dem ehemaligen Rekordspieler und -torschützen des FCN. Geblieben ist der grundsätzliche Aufbau des Stadions inkl. Laufbahn und frei stehender Flutlichtmasten, hat man heute ja auch nicht mehr oft. Was sich vor einiger Zeit geändert hat, ist die Blocktrennung in a, b und c (es waren immer schon eigenständige Blocks, aber meine alten Karten unserer Spiele dort vor 2013 hatten alle keine Buchstabenunterteilung, sprich freie Platzwahl) und so gab es vor dem Spiel zahlreiche Anfragen, wer denn nun in welchem Block stehen würde, da es früh die Runde machte, dass das Schmuggeln durch Wiedereinlasskarten verhindert werden sollte.
Mit nur knapp 15 Minuten Verspätung ging es am Spieltag dann auch recht pünktlich auf den Weg in den Süden. Die Wagenaufteilung sagte mir nicht ganz so zu, da man halt doch von vielen anderen bekannten Nasen getrennt war, aber war schon okay. Was halt nicht okay ist, ist allerdings, wenn manche Leute einfach so gar nicht mit Alkohol umgehen können, sich vor anderen Leuten bis auf die Unterhose ausziehen und auch sonst nicht unbedingt durch diskriminierungsfreies Vokabular auffallen. Einer der Gründe, wieso ich mich nicht sonderlich viel rumgetrieben habe und zum Beispiel den Partywagen kein einziges Mal gesehen habe. Dafür habe ich die Zeit der Hinfahrt genutzt, Mitglied der Grün-weißen Hilfe zu werden, die nun auch offiziell gestartet ist. Gibt es Fanhilfen bei anderen Vereinen schon seit vielen Jahren, gibt es ab sofort also auch in Bremen Unterstützung im Umgang mit Polizei und Justiz. Wirklich was sehr sinnvolles und meine klare Empfehlung an euch alle, Mitglied zu werden. Das Ganze gibt es schon für 5€ im Monat, ermäßigt sogar noch weniger! Alle bisherigen und zukünftigen Infos der Grün-Weißen Hilfe findet ihr auf der vereinseigenen Homepage, wo ihr im übrigen auch ganz unkompliziert Mitglied werden könnt.
Währen der ICE für die Strecke Bremen-Nürnberg knapp 4 h braucht, sind es mit dem Sonderzug dann doch nochmal 2h mehr nur bis Fürth. Letzteres sollte heute der Endhalt des Sonderzuges sein. Von dort ging es mit der U-Bahn nochmal etwa 12 Stationen ohne Zwischenhalt zur Nürnberger Messe. Der Plan, mit allen Szeneleuten eine Bahn zu erwischen, ging natürlich nicht auf, die Zeit bis Abfahrt des zweiten Zuges bzw. dessen Ankunft an der Messe konnte aber gut mit aller möglicher Singerei rund um „Wo vier Tiere musizieren“ verbracht werden. Ich frage mich bei so was ja immer, was die Menschen im Bahnhof denken, die einfach nur an Ort x fahren wollen und mit Fußball nichts am Hut haben und dann eine Horde Fußballfans durch ihren Bahnhof laufen sehen. Nicht so geil dagegen die nervige Filmerei solcher Leute. Ab Nürnberg Messe nahm die Überwachung der Staatsmacht dann auch extrem zu. Quasi den gesamten Fußweg entlang der Messe wurden wir von einer Drohne begleitet und von der benachbarten Feuerwache durch die Polizei gefilmt. In Bayern ticken die Uhren halt doch nochmal ganz anders. Auch der insgesamt etwa 25 minütige Fußweg wurde mit einigen Gesängen und vielen Pinkelpausen verbracht. Schaffte man es in Hannover vorletzte Woche noch, das Stadion bei Ankunft der Gäste einfach schon vor eigentlichem Einlass zu öffnen, ticken auch in dieser Hinsicht die Uhren in Bayern anders. Macht ja auch Sinn, 600 Werderaner*innen lieber noch vor verschlossenen Toren stehen zu lassen statt kontrolliert im Stadion zu haben.
Kurz nach 13:30 öffneten schließlich die Stadiontore und die Blöcke wurden eingenommen bzw. seitens UTB die heutige Choreo vorbereitet. Am Ende teilten sich die Gruppen auch gleichmäßig auf die Blöcke auf und so standen von links nach rechts Ultra Boys, Caillera, Jugend, WB, HBC, UTB und Intesa.
Bereits 30 Minuten vor Anpfiff gab es seitens HBC ein „Trikots in Vereinsfarben“ Spruchband. Ins Spiel startete man nach Schweigeminute für 2 am S-Bahnhof Stadion vor einigen Tagen wohl vor einen Zug gestoßenen und dabei tödlich verletzten Jugendlichen mit der angesprochenen Choreo des UTB bestehend aus vielen grün-weißen Folienfahnen und Spruchband „Seite an Seite, Junge und Alte, für immer Grün-Weiße“ inkl. gemalter alter und neuer Wappen und Figuren + kleineren Elementen vor dem Block. Weiterhin versuchte man sich zu Beginn an einem neuen Lied, welches leider nicht wirklich gut angenommen wurde. Ist natürlich auch was schwierig, wenn der Text neu ist und über das Megaphon nicht so wirklich viel ankommt.
Wenn ich mich nicht allzu sehr verhört habe, dürfte der Text in etwa folgendermaßen gewesen sein (natürlich ohne Gewähr):
Komm wirf einen Blick in die Kurve,
die Fahnen, die wehen, kannst du es sehen?
Rauch steigt auf an dem leuchtenden Flutlicht,
ja da wo das Chaos regiert!
Laalaalaalaalaa.
Lauter wurde es dagegen immer mal wieder beim „Wo vier Tiere musizieren“, aber auch die Hüpfeinlagen mit „ Wir werden deutscher Meister sein“ kamen gar nicht so schlecht. Was dagegen tierisch nervte war die Tatsache, dass auch im Stadion die Polizei ununterbrochen filmte und fotografierte. Aber wehe, wir machen das umgekehrt. Grüße gehen an dieser Stelle raus an die Staatsmacht im Oberrang. In die zweite Hälfte starteten alle Gruppen mit viel grünem Rauch und einzelnen Fackeln, was aufgrund der Dichte für ein ganz ordentliches Bild gesorgt haben dürfte. Bilder hiervon findet ihr bereits bei den üblichen Verdächtigen auf Twitter als Retweet (u.a. hier, hier und hier) Ansonsten blieb mir supporttechnisch nicht so viel in Erinnerung. Nach dem Führungstreffer durch Jojo Eggestein natürlich totale Euphorie und in der Folge alle Gesänge nochmal eine Stufe lauter, der späte und total unnötige Gegentreffer machte die Stimmung erstmal komplett zu Nichte, auch wenn man bei den letzten Chancen per Standard alles versuchte, den Ball durch die Unterstützung aus dem Block ins Tor zu tragen, klappte leider nicht mehr und so blieb es beim 1:1.
Den Rückweg nach Fürth machte man das Beste aus der Sache, genoss das ausgiebige Feuerwerk am Messegelände und die Gesänge am Bahnsteig der U-Bahn und der Unterführung zum Bahngleis machten schon richtig Spaß. Gefiel wohl auch dem Großteil der in der am Nachbargleis einfahrenden Bahn sitzenden Personen. War schon sehr lustig mit u.a. „Deutscher Meister, deutscher Meister wird der SVW“ und „All cops are bastards“ bzw. „Die ganze Welt hasst die Polizei“ direkt neben eben dieser. Was gibt es zur Rückfahrt im Sonderzug zu sagen? Nach einigen Ansagen war es halbwegs erträglich, Musik war auch nicht schlecht und so konnte die Zeit bis Bremen (Ankunft um 1 Uhr) bei dem ein oder anderen Kaltgetränk gut verquatscht werden.
Was gibt es zur Heimseite heute zu sagen? Die Heimkurve wirkt, was Material und Geschlossenheit angeht, schon sehr beeindruckend auf mich. Nach einer Schweigeminute inklusive Spruchband „Ruhet in Frieden Luca und Frederik“ startete man mit einer Choreo bestehend aus Spruchband mit schon häufiger genutztem Wortlaut „Was auch immer passiert, wir lieben dich sowieso“ vor dem Block und roten Pappen, die mit einzelnen weißen ein „1. FCN“ im Block ergaben. Seitens Pro Fans gab es sowohl von UN als auch WB ein „DFB/DFL: es hat gerade erst begonnen“ Spruchband. Bei BDA erblickte ein ACAB das Licht der Welt. Als letztes erinnere ich mich an ein „Den Legendenstatus beim Glubb nimmt dir niemand mehr. Man sieht, dass der Verein dir am Herzen liegt. Chapeau Marek Mintal!“ im Bereich von UN. Akustisch habe ich die Heimkurve dagegen gar nicht wahrgenommen heute.
Wir sehen uns Dienstag in Dortmund!
Kein Fußball den Sexisten!
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